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Leseprobe: Nytrax: Das Phönixsiegel - Andrew C. Fox

 

 

 

 

Prolog

 

Aus der Asche …

8 Jahre zuvor

 

      Die Augen der großen Schlange waren schon vor geraumer Zeit in der Ferne verschwunden. Unter den Abgesandten der Nim breitete sich nichts als die endlose Nessaja Wüste aus. Kein einziges Sandkorn peitschte hoch in den Himmel. Es war, als ruhten alle Elemente der Erde und bereiteten sich auf die Wiedergeburt des Phönix vor. Langsam verdunkelte sich das Firmament über den Köpfen der Wahtari, die Sonnenfinsternis stand kurz vor ihrem letzten Schritt.

      »Wir müssen uns beeilen«, mahnte einer der fünf. Deutlich hörbar nahm der Flügelschlag jedes Einzelnen zu. Sie mussten den Feuervogel noch vor seinem Aufstieg erreichen. »Ian!«, rief Finn, ihr Prinzipal, hinter sich und nahm den Genannten ins Auge. »Träumen kannst du, wenn wir wieder in Fabalgur sind, sonst können wir es gleich lassen. Du weißt, welchem Wesen wir unsere Botschaft überbringen müssen?«

     »Ja, dem Hüter der Namenlosen Stadt oder Phönix, wie ihn die unwissenden Menschen nennen würden«, erwiderte Ian, der auf Augenhöhe zu ihm herabgeflogen war. Ihre Blicke berührten sich flüchtig. Finn, der Erstgeborene der Nim, Meister und Lehrer seines Volkes, war voller Sorge, in welche Zukunft sie steuerten. Was würde aus ihnen, den Wächtern allen Lebens werden, wenn der Phönix seine goldenen Strahlen nicht mehr über die Erde warf?

      Vor der Höhle des wohl mächtigsten Wesens dieser Welt traten ihre Füße geräuschlos in den weichen sandigen Boden. Eine der zwei dürftig gekleideten Phönixwachen erwartete sie unweit des Felsdurchstiegs. Mit einer Handbewegung, die Eile gebot, deutete sie den Nims, rasch einzutreten.

      Was für ein Wesen, durchfuhr es Ian bei dem Anblick des mit feurig glühenden Malen übersäten Wächters. Allein seine Statur sollte doch jeden ungebetenen Gast davon abhalten, einzutreten.

     Biors Kräfte mussten unvorstellbar zerstörerisch sein, dass es ihm einst beinah gelungen war, das Crypt zu erreichen. Hätte er die Asche im Moment der Geburt des Feuervogels berührt, wäre der Phönix als schwarze Kreatur in die Lüfte aufgestiegen, um seine Stadt und alles Leben auf der Erde zu vernichten.

    Ian strich sich die vom Wind zerzausten weißen Strähnen aus dem Gesicht und vermied es, als Erster an der Wache vorbeizugehen. Ob es Angst oder Respekt war, mochte er sich nicht eingestehen.

     Mattes Licht begleitete sie über rissigen Boden, an dessen Ende sich zernarbte Wände in einer unüberschaubaren Höhle verloren. Die zweite Phönixwache hier im Inneren war der vorherigen wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie stand inmitten des Raums und verbarg zum Teil etwas Steinernes hinter ihrem Rücken.

     Die Abgesandten des ältesten Volks der Welt waren keine Sekunde zu spät erschienen. Schrilles Kreischen kündete von der Wiedergeburt des Mächtigen. Ringsherum wirbelte glühende Asche auf. Der Wächter trat in jenem Moment zur Seite, in dem der Raum anfing, sich mit Licht zu füllen.

   Das ist typisch für diese Welt, dachte Ian. Hinter der Phönixwache stand zu seiner Enttäuschung ein völlig unauffälliger steinerner Brunnen. Dabei hatte er sich unter dem Crypt etwas Kostbareres vorgestellt. Selbst hier, am Rande der Inneren Welt, sahen alle Gebilde oder Orte, von denen bedeutsame Kräfte ausgingen, so gewöhnlich aus, dass Unwissende achtlos daran vorbeilaufen würden.

     Das schrille Kreischen schwoll ab und zaghaftes Piepsen erfüllte die Geburtsstätte. Wie auf Kommando nahmen beide Wächter eine kämpferische Haltung ein, als müssten sie den Phönix vor den Abgesandten schützen. So hatte sich Ian seine erste Begegnung mit dem Feuervogel nicht vorgestellt.

    »Zum Zeitpunkt seiner Geburt ist der Phönix besonders verletzbar«, erklärte Finn. »Kein Wesen, das mir bekannt wäre, könnte sich dem Crypt in diesem Moment nähern, ohne dafür mit dem Leben zu büßen. Die beiden Wächter erhalten unvorstellbare Kräfte, die zwar nur für wenige Sekunden andauern, jedoch ausreichen, um ein Heer unserer Art auszulöschen.«

     Der piepsende kleine Feuervogel wuchs mit rasender Geschwindigkeit zu dem mächtigen Phönix heran. Das Ausbreiten seiner Schwingen wirbelte in der gesamten Höhle seine Asche auf. Finn erkannte, dass es an diesem Ort keine Chance gab, sein Begehren vorzutragen. Ebenso schnell wie der Feurige spreizte er seine weißen Flügel und war mit einem einzigen gigantischen Sprung zurück am Ausgang der Höhle.

    Da Ian Finns Reaktion nicht verstehen konnte und ihm erstaunt hinterherblickte, entging ihm, was sich hinter seinem Rücken abspielte. Das Geräusch eines gewaltigen Flügelschlags, der glühende Funken in seinen Nacken trieb, ließ ihn im letzten Moment aus der Flugbahn des Phönix springen. Sonst wäre der Feuersturm des Vorbeirasenden das Letzte gewesen, was er in seinem Leben gesehen hätte.

     Obwohl Finn einer von Wenigen besonderen Ursprungs war, ließen sich seine Kräfte nicht ansatzweise mit denen des Phönix messen. Er hatte den Höhlenausgang kaum verlassen, da schlug ihm das Feuer des Herrn der Welten in den Rücken.

     »Du bist mutig«, zischte der Feuervogel den Prinzipal zynisch an. »Was in deinen Augen ist dermaßen unabdingbar, dich auf diese Weise in meinen Weg zu stürzen?« Finn, der nach wenigen Hundert Metern mit seinen Kräften kämpfen musste, antwortete atemlos: »Ich bitte dich, mir nur für einen Moment dein Gehör zu schenken.«

     Der Phönix wirbelte mehrere Male um seine eigene Achse, als könne er Finn dadurch abschütteln. Dieser hatte aber mit keiner anderen Reaktion gerechnet. Er kannte die eitlen Mächte jener Welt. Geschickt entkam er dem Strudel, nur seinem alles verbrennenden Feuerschweif nicht. Wäre er nicht selbst eines dieser Tausende Jahre alten Wesen, hätte es ihm wahrscheinlich mehr als nur die Flügel angesengt.

     »Lass den Unsinn und hör mir zu!«, brüllte er zornerfüllt. Aufkommendes Versagen schickte seine ersten Vorboten. Wenn ich jetzt scheitere, werden wir keine zweite Chance bekommen, wusste der weise Prinzipal und sammelte seine letzten Kräfte. »Ist dir das Ende allen Lebens wahrhaftig so gleichgültig?«, rief er, seinen Flug beschleunigend, dem Übermächtigen hinterher. »Ja, selbst dein eigenes?« Er hätte dem Phönix am liebsten einen Flügel ausgerissen, um ihn zum Zuhören zu bewegen. Doch endlich war er zu dem Feuervogel durchgedrungen, sodass er seinen Flügelschlag verlangsamen konnte.

     »Warum sagst du nicht einfach, was du willst und verschwindest wieder?«, ließ sich der Beschützer der Namenlosen Stadt dazu herab, ihm zu antworten, wobei ihm Flammen aus seinem Schnabel züngelten.

     Welch Dankbarkeit, dachte Finn ernüchtert, holte aber schnell den Grund seiner Verfolgungsjagd ans Tageslicht, bevor es sich der Feuervogel anders überlegte. »Hätten wir eine Kreatur namens Bior einst nicht daran gehindert, dein Crypt zu berühren, gäbe es weder deine Stadt noch dich heute mehr. Du wärst zu einem Lakaien des Dunklen Herrschers geworden. Wir wissen beide sehr gut, was du dort oben in deiner Stadt beschützt. Du kennst die Prophezeiung und doch hast du bis zum heutigen Tag keinen aus den Reihen der Menschen ausgewählt.«

     Seine Worte waren kaum verhallt, da setzte schon schallendes Gelächter seitens des Phönix ein. Dem Feuervogel traten fast die Augen aus dem Kopf, so weit riss er sie auf. »Was ist denn in den letzten tausend Jahren mit deinem Verstand geschehen? Was kümmert mich eine lächerliche Prophezeiung eurer Welt«, verhöhnte er ihn. Finn sprach unbeirrt weiter: »Dann sind dir also die Veränderungen der Erde entgangen? Das Fehlen des Mondes? Der bevorstehende Untergang der gesamten Menschheit? Freilich, so etwas übersieht man schon mal in seinem tausendjährigen, gedanklichen Vor-sich-hin-Dösen.«

     Als Antwort auf seine bissigen Worte erfasste ihn einer der Phönixflügel und schleuderte ihn hoch durch die Luft. Taumelnd rief Finn ihm hinterher: »Wir werden uns wiedersehen, dann wirst du eine schwarze Kreatur sein und zu deinen Füßen wird deine eigene, zerstörte Stadt liegen.« Alles, was der Prinzipal darauf zu hören bekam, war: »Das werden wir sehen!« Dann explodierte die Luft und der Feuervogel war verschwunden.

     Als Hüter des mächtigsten Relikts, das er in der Namenlosen Stadt verbarg, hielt den Phönix nichts und niemand am Tag seiner Wiedergeburt davon ab, seinen Platz zwischen den Gestirnen wieder einzunehmen.

     »Was wird nun werden?«, murmelte Finn resigniert vor sich her. »Seine verdammte Eitelkeit, über allem und jedem zu stehen!«

 

*** Ende der Leseprobe * * *  

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