Dieses Buch hat mich sehr berührt, es ist einfach anders, als die bisherigen, die ich über das Thema Missbrauch gelesen habe. Die Autorin gibt der Tat, dem Täter und dessen Mitwissern (Mittätern) wenig Raum. Das Buch wird davon nicht beherrscht, denn sie kommen nur am Rande vor – dann, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.
Der Autorin geht es darum, ihren Weg aufzuzeigen, der sie aus diesem Trauma und der damit verbundenen PTBS heraus, und hin zu einem neuen, würdevollen und glücklichen Lebensbeginn führte.
Doch dazwischen liegen viele Jahre angefüllt mit Tränen, Depressionen und die labile Psyche der Autorin beeinflusste im großen Maße auch ihre physische Gesundheit. Die Leserschaft erfährt, wie der Missbrauch Jahrzehnte ihr Denken, Fühlen, ihr Handeln, ja ihr ganzes Leben beeinflusste und auch die zwischenmenschliche Liebe nicht vermochte, ihre Seele zu heilen.
Erst mit 58 Jahren fand sie für sich die Therapie, die ihr wirklich half, ihr Leben neu auszurichten. Den Weg, den sie nun mit Hilfe ihrer Therapeutin einschlug, er war nicht einfach, manchmal holprig und manchmal machte sie im Bewusstsein, zwei Schritte nach vorn und wieder einen zurück – aber vorwärts ging es irgendwie immer. Die Autorin hat durch diese Therapie eine neue Wirklichkeit für sich erarbeiten können, eine mit der es ihr gut geht.
Nicht mehr nur auf ihre Persönlichkeit fixiert, erkannte sie, wie schwierig die ganze Situation, über viele Jahre hinweg auch für ihren Partner gewesen war. Handlungsorientiert, um einander zu helfen, sich gegenseitig auch zu stärken, nahmen beide eine Paartherapie wahr. Und das war gut und richtig so, sie konnten immer besser in die Seele des anderen blicken und ihre positiven Gefühle zueinander, ihre gegenseitige Achtung und Liebe wieder auf sichere Füße stellen. Beide Therapien im gleichen Zeitraum durchzuziehen, war noch einmal eine ganz besondere Herausforderung für die Autorin.
Ich empfehle das Buch der Leserschaft sehr gerne weiter. Christine Striebel malt mit der Beschreibung ihrer Therapieabläufe, speziell des imaginären sicheren Ortes in ihrer Seele, Bilder jeder Farbschattierungen in den Kopf der Leserschaft – düstere, helle, bunte, leichte, lustige schwere, traurige und fröhliche. Beeindruckend und ausdrucksstark. Da ist im Gegensatz des erlebten Traumas eine Leichtigkeit zu spüren – man merkt, dass die Autorin in sich ruht, und genau das ist es, was das Buch so lebendig macht und womit es ihr gelingt, die Leserschaft in ihren Bann zu ziehen und anderen Betroffenen Mut und Hoffnung zu geben. Im Buch ist therapeutisches Fachwissen ebenso zu Hause wie persönliche Erfahrungswerte, deshalb ist es für Betroffene und Therapeuten gleichermaßen interessant, und auch eine Bereicherung für alle Leserinnen und Leser.
Heidelinde Penndorf
(Juni 2020)
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