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Späte Entscheidungen: Verstörende Fragen - Hilde Willes Empfehlung

Eine Mädchenclique – Abitur-Zukunftsträume – Wir erobern die Welt – Wir leben die Liebe und das Leben!

30 Jahre dazwischen und die Wechselfälle des Lebens der Protagonisten zeigen zersprungene Träume und Seelen, die eine ganze Menge aushalten mussten. Alle verbergen ihr wahres ICH, ihr wahres Selbst – verstecken ihre Authentizität hinter einer Maske – nein, keine Corona-Maske – sondern eine, die man nicht sieht. Einstudiertes, routiniertes Verhalten, über Jahre hinweg, immer mehr verfeinert, ergänzt – im wahrsten Sinne des Wortes Schauspielerei.

Der auktoriale (allwissende) Erzähler der Geschichte, schaut allen Protagonisten über die Schulter, erzählt ihre Geschichten, beleuchtet kurz dunkelste Winkel und Mysterien, die nicht ganz offenbart werden, lässt uns teilhaben an den intimsten Geheimnissen der Beteiligten, erzählt von Liebe, die nicht sein sollte, weil sie nicht sein dürfte, von schwachen Männercharakteren, gewalttätigen Narzissten, Helikopterehefrauen, die sich in die perfekte Welt flüchten, von schweren Depressionen und Ängsten, das Leben verpasst zu haben und auch von zwei Männern, die ganz anders sind – die ihr Sein, ihr Selbst leben.

Und zwischendurch der Blick auf ein entstehendes Frauenhaus, weil die Gewalttätigkeit gegen über ihnen es einfach erfordert, so eines im Ort haben zu müssen.

Es sind sprunghafte Gedankenkarusell-Ketten, die wir als Lesende erleben, also keine fortlaufende, sich entwickelnde Handlung, sondern Momentaufnahmen des Lebens der verschiedensten Protagonisten.

Ich würde sagen, dass mindestens 97 % der Protagonisten sich in der Opferrolle befinden und somit die Verantwortung für ihr Leben an andere Mitmenschen delegiert haben. Doch zwei davon, darunter Katja, die Hauptprotagonistin, endlich bereit sind, den Schritt raus aus der Opferrolle zu wagen.

Der Schreibstil, ganz Hilde Willes Stil, führt die Leserschaft manchmal locker und beschwingt, manchmal humorvoll und manchmal schwermütig-melancholisch, durch die Handlung. Der erste Teil der Story endet mit Fragen und abrupt, ohne Cliffhänger zum zweiten Teil. Mal sehen, ob der zweite Teil so manche dunkle Wolke auflöst.

Ein lesenswerter erster Teil dieser Zweierreihe in Hilde Willes Manier. Ich empfehle das Buch sehr gerne weiter.

Heidelinde Penndorf

(Februar 2021)

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