Ein guter Freund empfahl mir dieses Buch. Zuerst war ich skeptisch, bestellte es jedoch im Antiquariat. Wenige Tage später hielt ich es in der Hand. Ich begann die erste Seite zu lesen und ab da wurde die Gegenwart für Stunden nebensächlich.
Zum Inhalt:
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lag der junge Oberstleutnant Jürgen Godeysen mehrere Jahre in amerikanischen Lazaretten und wurde dann 1950 nach Deutschland in ein Krankenhaus überführt. Er hat keinen Lebenswillen mehr. Doch da ist der Chefarzt Dr. Gunthermann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat die Kriegsveteranen ganzheitlich in die Genesung zu führen – psychisch und physisch. Bei dem Patienten Godeysen kommt er aber an einem Punkt, wo seine weitsichtige komplexe Therapie zu versagen droht. Da kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Nikoline Pratt, eine junge Frau, bringt Jürgen Godeysen das Erbe seines Vaters – Tagebücher, in welchen dieser sehr bewusst und eindringlich seinem Sohn sein Leben der Jahre 1897 bis 1920 schildert. Nikoline und Dr. Gunthermann gehen einen vertrauensvollen Bund ein und die junge Frau sitzt ab da Stunde um Stunde und liest dem lethargischen Godeysen seines Vaters Lebensgeschichte vor. Das Wunder geschieht, er reagiert positiv und wirkt zunehmend interessiert und lebendiger, auch knüpft sich in dieser außergewöhnlichen Situation ein zartes, aber festes Band der Verbundenheit zwischen den zwei jungen Menschen. Dies stabilisiert seinen gesundheitlichen Zustand immerhin soweit, dass er endlich operiert werden kann.
Das Buch ist eine Hommage an das Leben, die zwischenmenschliche Liebe, die Liebe zu Tieren, speziell zu Pferden und es ist auch ein intensiver Appell für die Kameradschaft und Freundschaft.
»Meines Vaters Pferde« ist ein Werk, welches Hoffnung und Zuversicht eines friedlichen Neubeginns des Lebens nach dem Zweiten Weltkrieg ausstrahlt und dies mit mit einer völlig enthusiastischen Jugend, die aus den Trümmern der Vergangenheit eine neue Zukunft baut.
Im Buch geht es um Kriegsheimkehrer, die gezeichnet sind von den irren Folgen eines sinnlosen Krieges – physisch und psychisch – und die ihren Lebenswillen verloren haben, kurzum, posttraumatische Belastungsstörungen haben.
Und es geht um inneren Reichtum, um Menschlichkeit, um empathische Ärzte aus Leidenschaft und Berufung, die begriffen haben, dass man die Patienten ganzheitlich therapieren muss.
Der Autor hat es verstanden mit seiner harmonischen, lebhaften und feinen Sprache die Leserschaft in der Seele zu berühren. Seine literarische Sprache ist warm, sehr gefühlvoll, manchmal innig, manchmal humorvoll und immer lebensbejahend.
Die Handlung ist gespickt mit vielen Lebensweisheiten, die so inbrünstig stark sind und in die Seele dringen, sodass mir oft die Tränen in den Augen standen.
Mir ist es ein Bedürfnis am Ende der Rezension einige wenige Zitate aus dem Buch hier einzustellen, die mir lieb und wert geworden sind und die der Leserschaft einen kleinen Einblick in den Gehalt des Buchs geben.
Zitat:
»Es gibt auch heutzutage gar keine Politik, weil es keine Politiker mehr gibt. Es gibt nur noch Gewerbetreibende in Staatsführung. Talleyrand und Metternich waren die letzten Staatsmänner aus Berufung und nicht aus Beruf, Gladstone und Bismarck ihr letztes Echo.«
Ende des Zitats
Zitat Protagonist Dr. Gunthermann
» … Und hier, meine liebe Dame«, bitterer Hohn wie unendlicher Ernst schwangen in seiner Stimme mit, … »hier hat nur einer seine Existenzberechtigung, der zur Selbstaufgabe bereit ist. Wir haben hier das letzte Strandgut des Krieges aufgefangen. Männer, die meist nicht mehr wie Menschen aussehen, und andere, die noch ein Gesicht tragen wie wir, die aber nur lebende Leichname sind.
»Das kann man überhaupt nicht schildern. Und keiner, der von draußen kommt, ist imstande zu begreifen, welch mörderischen … verdammt noch einmal, welch einen dreckigen, aber großartigen Kampf wir führen. Um jeden einzelnen, und das geht durch Jahre. Um Fingerbreite, buchstäblich um Fingerbreite, drängen und zwingen wir unsere armen Kerle dem Leben zu …«
Ende des Zitats
Zitat Protagonist Dr. Gunthermann
»Ich glaube, Ihr beide bringt es tatsächlich fertig. Das Einfachste und das Schwerste auf der Welt, mein Mädchen, Sich liebzuhaben und auch liebzubehalten … Unter Zehntausenden ist es immer nur eine Handvoll Menschen, die wirklich die Kraft zur Liebe haben. Und von den wenigen sind es immer wieder nur einige, denen das beste Geschenk des Herrgotts, nicht aus den hilflosen oder aus den törichten und unwissenden Händen gleitet«
Ende des Zitats
Zitat Kriegskamerad von Kaspar Godeysen
»Das erklärt auch, warum man immer wieder einmal davon erfährt, dass zwei Frauen einen Mann lieben, aber ganz und gar nicht mit dem Küchenmesser aufeinander losgehen, sondern sogar eine starke und große Freundschaft sie bindet. Sie ahnen eben, dass sie im Herzen des Mannes eine geheimnisvolle Einheit sind. «
Ende des Zitats
Das Buch ist eine wertvolle Bereicherung meines Buchbestandes und es ist im Thema aktueller denn je.
Meine Empfehlung: Ich empfehle das Buch uneingeschränkt. Lesen Sie es!