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Die Schuldigen: Herz vs. Verstand - Ava J. Thompson Empfehlung

Schon die ersten Seiten von Ava J. Thompsons zweitem Band haben mich gefesselt. Ich spürte sofort die Spannung, die in jeder Begegnung, jedem Blick liegt. Liebe wird hier zum Risiko, Loyalität zur Prüfung – und selbst die engsten Bindungen können retten oder zerstören. Matteo, Howard und die dazugehörigen vier Frauen stehen nicht nur vor der Frage, wie sie ihre Gefühle leben, sondern auch, wer sie innerhalb der starren Familienstrukturen wirklich sein dürfen, sein sollen.

Die Mafia erscheint mir hier nicht als glamouröses Machtspiel, sondern als archaisches System aus Erwartungen, Zwängen und unausgesprochenen Gesetzen. Jede Bindung ist eine Entscheidung, jeder Blick eine Prüfung, jede Geste eine potenzielle Schwäche:

  • Die Ehe, die Macht sichern soll.
  • Die Freundschaft, die zugleich Heimat und Gefängnis ist.
  • Die Liebe, die nicht sein darf – und gerade deshalb nicht aufhört.
  • Überfälle die Leben auslöschen und physische Schäden nach sich ziehen

Thompson gibt den leisen Momenten Raum: der Sehnsucht, gesehen zu werden, der Angst, zu verlieren, was man nie ganz besitzen durfte, und dem Versuch, inmitten von Gewalt ein eigenes Herz zu bewahren. Howard ringt mit der Frage, ob Zugehörigkeit mehr bedeutet als Blutsbande – und was man dafür bereit ist aufzugeben. Seine Entwicklung zeigt, wie Loyalität zur Identität werden kann, aber auch, wie schnell Identität zur Last wird. Matteo steht zwischen Gefühl und Pflicht; sein Konflikt ist keine dramatische Explosion, sondern eine stille, bohrende Tragik: das Wissen, dass man sich selbst verliert, während man versucht, alle anderen zu schützen.

Die Frauen in dieser Geschichte sind keine Randfiguren. Ich habe bewundert, wie sie die Konsequenzen dieser Welt am unmittelbarsten spüren, tiefer lieben, härter verlieren und mehr tragen, als man ihnen zugesteht. Ihre Stärke liegt nicht in Lautstärke, sondern in Würde und manchmal sogar im Verlust der Würde und der daraus resultierenden Rache.

Thompsons Stil hat mich sofort gepackt. Prägnant, nuanciert, mit der perfekten Balance zwischen Spannungsspitzen und stillen Passagen. Rückblenden und Perspektivwechsel vertiefen die psychologische Dimension und machen jede Figur begreifbar – selbst dort, wo ich ihre Entscheidungen nicht nachvollziehen konnte.

So entsteht ein Bild der Mafia, das nicht vom Glanz lebt, sondern von Bindung, Loyalität und Liebe – die schützen, fesseln, heilen und manchmal verletzen. Herz vs. Verstand erzählt nicht vom Verbrechen, sondern von den Herzen, die darin gefangen sind. Ein Roman über Menschen, die in einem System überleben müssen, das wenig Raum zum Atmen lässt – und die gerade in diesen engen Zwischenräumen Hoffnung finden.

Durch die genial gezeichneten Familienstammbäume im Buch verdichtet sich die Geschichte auch ziemlich gegenwärtig und ich war gefühlt mitten unter den handelnden Personen.

Am stärksten hat mich der Moment getroffen, in dem die scheinbare Stabilität zerbricht. Der Überfall auf das Anwesen ist kein lauter Showmoment, sondern der Augenblick, in dem sichtbar wird, was Loyalität und Zugehörigkeit wirklich kosten: Sicherheit ist nur geliehen, Frieden immer vorläufig. Vertrauen wird fragil, Bindungen werden geprüft, und selbst die scheinbar unerschütterlichen Säulen der Familie geraten ins Wanken. Besonders die Frage, ob das Familienoberhaupt der Duartes überlebt, wirft einen Schatten über die letzten Seiten – weniger eine Frage des Körpers als eine Frage der Ordnung: Wer steht auf, wenn derjenige fällt, an den alle glauben.

Das Ende hat mich erschüttert. Nicht laut, sondern still. Ein Roman, der lange nach dem letzten Satz nachklingt und zeigt, dass Liebe und Loyalität erst dann ihre Bedeutung entfalten, wenn sie Gefahr und Prüfung standhalten – oder verlieren.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)

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