Kurze Inhaltsangabe Klappentext:
Eine neue Kommissarin ermittelt in Ostfriesland – Der erste Fall für Hannah Adams
Als Schwester Melanie das Krankenzimmer betritt und der jungen Mutter ihr Neugeborenes überreicht, blickt diese sie nur aus leeren Augen entsetzt an. Kurz darauf sind Mutter und Kind wie vom Erdboden verschluckt. Kriminalkommissarin Hannah Adams macht sich auf die Suche nach den beiden. Unterstützt wird sie dabei von der engagierten Staatsanwältin Leyla Zapatka. Fast zeitgleich kollabieren im ostfriesischen Etzel drei Erdgaskavernen. Während die Bevölkerung im Umkreis der Katastrophe evakuiert wird, versuchen die beiden Frauen, das Baby zu retten – vor seiner eigenen Mutter.
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Rezension:
Niemandsmädchen – ein sehr informativer, spannender und sehr dichter Krimi.
Wir haben es hier mit zwei Handlungssträngen zu tun. Da ist die Explosion der drei Erdgastavernen, welche die Umwelt und die Menschen selbst bedroht und ihr Lebensumfeld für immer verändern wird. Parallel dazu läuft die Suche um ein neugeborenes Mädchen im Katastrophengebiet auf Hochtouren, denn man vermutet, dass die Mutter es töten wird. Die Suche gestaltet sich schwierig und dramatisch, da sie zeitgleich mit der Evakuierung der Menschen im Umfeld der Katastrophe einhergeht und man auch nur eine vage Beschreibung der Mutter hat und ihre Personalien nicht kennt.
Die Haupt- und Nebenprotagonisten sind allesamt ziemlich extreme Charaktere mit ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexen, die sie durch ihr ureigenstes Kompensationsverhalten überdecken.
Es menschelt also ziemlich stark in der Handlung des Buchs. Das macht die Ermittlungen keinesfalls leicht, weil es dadurch immer wieder zu Zwischenfällen kommt, die sich verzögernd auswirken. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Und doch ziehen alle dann irgendwann an einem Strang.
Fast ist es so, als trage die Figur der sympathischen Staatsanwältin Leyla Zapatka, autobiografische Züge der Autorin. Denn auch sie leidet an hochgradiger Schwerhörigkeit, genau wie diese Hauptakteurin. Betreffend der Schwerhörigkeit hat mich beim Lesen des Buchs dieser eine Satz ziemlich tief berührt: »Wer nicht sieht, verliert die Dinge, wer nicht hört, die Menschen«
Der Fachbegriff Neonatizid (Neugeborenentötung), war mir neu und ich hab wieder einiges dazulernen können. Die Thematik hat mich schon immer stark beschäftigt. Eva-Maria Silber hat mir durch den Akteur Dr. Winterstein, die Frage beantworten können, warum es Frauen gibt, die trotz der Möglichkeit der Babyklappe, Adoptionsfreigabe und anonymer Geburt, ihr Neugeborenes töten.
Das solch extreme Handlungssituation der Mutter manchmal mit selektiven Mutismus (zeitlich begrenztes angstbedingtes Schweigen) einhergeht, war mir auch neu und hat mich ziemlich stark erschüttert.
Fakt ist, dass Neonatizid oftmals durch posttraumatische Belastungsstörungen in der Kindheit und Jugend begründet und meist bis zu einer auslösenden Handlung, auch unerkannt und unbehandelt geblieben sind. Bestürzend, so ein Menschenschicksal und die damit einhergehenden zwischenmenschlichen Abgründe.
Um die ganze Thematik etwas aufzulockern. hat die Autorin auch einige Nebenhandlungen einfließen lassen, die die Leserschaft schmunzeln lässt. Die Szene, in welcher sich zwei Frauen auf offener Straße ein ziemlich lautes Wortgefecht und auch einen heftigen Laien-Wrestlingkampf liefern, hat mich ungemein zum Lachen animiert.
Eva-Maria Silbers Schreibstil ist sehr flüssig und lebendig. Der Spannungsbogen steigt stetig an und erst auf den letzten Seiten des Buchs wissen wir, ob das Neugeborene gerettet werden kann und erfahren noch ziemlich tragische Tatsachenbestände aus der Vergangenheit. Beide Handlungsstränge des Buchs sind durchweg gut verknüpft und die Protagonisten sehr ausgereift und lebendig. Insgesamt allerbestes Kopfkino.
Leider liegt das Buch bisher nur als Kindle eBook vor.
Ich empfehle das Buch sehr gern: Lesen Sie es!
Heidelinde Penndorf
Autorenporträt Eva-Maria Silber