Carola Hoffmanns Roman „Der Wind spielt mit der Lokustür“, erschienen 2005, lässt in klarer, unbeirrter Sprache das Heimkind Michael selbst zu Wort kommen. Seine Stimme trägt das Buch – unverstellt, klug und manchmal schutzlos – und offenbart ein tiefes Bedürfnis nach Vertrauen, Wärme und Verlässlichkeit, das er teilweise beim stillen Holzschnitzer Kalle findet. Doch die Erwachsenenwelt reagiert mit Misstrauen und Ordnungseifer, was letztlich in Michaels Rückkehr in ein Heim für „Schwererziehbare“ mündet – ein Wort, das die Intoleranz gegenüber Andersartigkeit offenbart.
Das Buch zeigt wiederholt das Motiv des „unbequemen Kindes“, das durch seine Andersartigkeit stört und daher ruhiggestellt werden soll. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung und offenbart die Härte der Erziehungssysteme gegenüber individueller Verletzlichkeit.
Hoffmann zeichnet Michaels kindliche Sicht mit feinem Humor und großer Wahrhaftigkeit. Seine Beobachtung, dass Erwachsene Akten „als Haltbügel benutzen, wenn sie nicht weiterwissen“, vermittelt den Schmerz eines Kindes, das oft mehr sieht als die Erwachsenen.
Neben der Geschichte eines Heimkindes ist das Buch ein literarischer Blick in die Tiefenschichten menschlicher Verletzlichkeit und ein leises Plädoyer, zuzuhören, bevor man urteilt. Fachlich betrachtet greift es das Thema der „frühkindlichen Verlassenheit“ auf, eine Erfahrung, die das Leben prägt, auch wenn sie längst sprachlos geworden ist.
Dieses stille, eindringliche Buch wird durch Michaels unverwechselbare Stimme zu einem Werk, das lange nachhallt. Es wurde im Jahr 2005 verlegt und bleibt eine bedeutende literarische Auseinandersetzung mit emotionaler Verwundbarkeit und gesellschaftlichem Unverständnis. Sehr gern empfehle ich das Buch weiter.
Heidelinde Penndorf
(November 2025)
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